Frist, Kosten & Co.: Was Sie beim Erbe ausschlagen beachten sollten
Wer sein Erbe ausschlägt, muss Faktoren wie Fristen und Kosten beachten. Foto: wirojsd, stock.adobe.com
Deutschland wird häufig eine Neidkultur nachgesagt. Den Spruch „Der hat doch nur geerbt“ haben Sie sicher schon öfter gehört. Doch wer Erben ausschließlich mit der romantischen Vorstellung von plötzlich auftretendem Reichtum verbindet, liegt falsch. Denn man erbt nicht nur das Vermögen des Verstorbenen, sondern auch seine Schulden. Wichtig hierbei: Der Erbende muss den Nachlass nicht annehmen, er kann das Erbe ausschlagen.
Die wichtigsten Tipps zum Thema Erbe ausschlagen in Kürze
- Gründlich sein: Prüfen Sie genau die Erbmasse! Wie groß ist das Vermögen und welche Verbindlichkeiten stehen dem gegenüber?
- Schnell sein: Sie können das Erbe in der Regel nur innerhalb der ersten 6 Wochen ab Kenntnis der Erbschaft ausschlagen. Die Frist kann nur in Ausnahmen angepasst werden.
- Verbindlich sein: Sollten Sie das Erbe ausschlagen wollen, müssen Sie einige Formalien beachten. Nur so ist eine Erklärung vor dem Nachlassgericht wirksam. Welche Kosten das mit sich bringt, erläutern wir weiter unten.
- Sicher sein: Erst das Erbe ausschlagen und dann einen Rückzieher machen – das ist äußerst schwierig. Übrigens auch in die andere Richtung. Erst annehmen, im Nachgang ausschlagen – kaum möglich.
Wer sein Erbe ausschlagen möchte, hat dafür nur begrenzt Zeit. Denn die Frist dafür beträgt lediglich sechs Wochen. Foto: Andrey Popov,
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Unsere Tipps noch einmal im Detail:
Überblick über Vermögen und Schulden: Was habe ich geerbt?
Wer erbt, übernimmt die Rechtsposition des Verstorbenen und damit alle Rechten und Pflichten. Wer also blauäugig von einer guten Finanzsituation des Erblassers ausgeht, handelt fahrlässig. Deswegen: Überprüfen Sie zwingend die Vermögensverhältnisse des Verstorbenen.
Checkliste: Wie erhalte ich einen Überblick über die Erbmasse?
- Alle Konten sichten, Geldanlagen prüfen
- Die Papiere sorgfältig wälzen und Verbindlichkeiten herausfiltern
- Wertgegenstände wie Schmuck zusammentragen
- Etwaige Immobilien auf deren Zustand prüfen
- Grundstücke und deren Wert checken (Bauland oder nicht)
Schulden statt Vermögen: Was man erbt, sollte man genau prüfen – und gegebenenfalls das Erbe ausschlagen. Foto: Gina Sanders, stock.adobe.com
Die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, wurde aus gutem Grund geschaffen: Denn sie dient dazu, den Erben zu schützen. Warum?Schließlich haftet dieser auch mit seinem Privatvermögen – was schnell böse enden kann. Sind die Schulden also höher, als das Vermögen anzusiedeln, sollten Sie sich das Antreten des Erbes sehr gut überlegen.
Achtung: Sobald Sie den Erbschein beantragen, gilt das Erbe als angenommen. Als Nachweis bei Banken oder anderen Instituten reicht aber auch eine andere Erblegitimation wie Sterbeurkunde oder Stammbuch.
Ich möchte mein Erbe ausschlagen: Welche Frist gilt?
Grundsätzlich gilt: Für die Entscheidung, ob Sie Ihr Erbe antreten möchten oder nicht, bleiben Ihnen sechs Wochen. Wobei hier zu unterscheiden ist, ob der Verstorbene ein Testament hinterlassen hat oder nicht. Liegt dem Gericht ein Testament vor, beginnt die Frist, sobald die Erben ein Schreiben des Nachlassgerichts erhalten haben. Existiert kein Testament, starten die sechs Wochen bereits, wenn die Hinterbliebenen vom Ableben des Erblassers erfahren haben.
- Beträgt die Frist immer sechs Wochen oder gibt es eine Ausnahme?
Die 6-Wochen-Frist gilt nicht, wenn der Verstorbene zuletzt im Ausland gelebt und dort gemeldet war. Sollten Sie sich als Erbe ebenfalls bei Fristbeginn außerhalb der Bundesrepublik aufgehalten haben, ist die Laufzeit eine andere. In beiden geschilderten Fällen beträgt die Frist dann 6 Monate.
Ich möchte mein Erbe ausschlagen, habe aber die Frist versäumt: Was kann ich tun?
Prinzipiell erschwert das Versäumen der Ausschlagungsfrist Ihr Anliegen ungemein. Denn nach sechs Wochen (bzw. sechs Monaten, siehe oben) haben Sie das Erbe faktisch angenommen. Das Erbrecht eröffnet allerdings zwei Optionen für den Fall, dass Sie nachträglich noch ausschlagen möchten.
- Option 1: Sie können die Annahme anfechten
- Option 2: Sie können das Versäumnis der Ausschlagungsfrist anfechten
Was gut klingt, ist in der Praxis nicht so einfach. Denn für beide Optionen benötigen Sie einen triftigen Grund. Wie der aussehen kann, ist nicht klar definiert. Deswegen sollte hier ein Rechtsbeistand in Betracht gezogen werden. Wichtig: Auch die Anfechtungsfrist beträgt sechs Wochen. Wer seinen Irrtum bemerkt, muss sich also sputen. Auch für den Fall, dass Sie nach einer Ausschlagung das Erbe nun doch annehmen möchten, können Sie anfechten – wiederum nur mit triftigem Grund.
Formalitäten, Kosten, Musterschreiben: Wie schlage ich mein Erbe korrekt aus?
- An wen muss ich mich wenden?
An das zuständige Nachlassgericht. Welches das ist? Entweder das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene ansässig war, oder das Amtsgericht, wo Sie als Erbe selbst ihren Wohnsitz haben. Ausnahme: Der Erblasser lebte im Ausland, dann ist zwingend das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig.
- Was kostet mich das?
Wenn Sie persönlich beim Amtsgericht erscheinen und erklären, Ihr Erbe ausschlagen zu wollen, zahlen Sie pauschal 30 Euro Gebühr. Idealerweise führen Sie bei Ihrer Vorstellung die Sterbeurkunde des Erblassers mit sich.
- Muss ich persönlich beim Amtsgericht vorstellig werden?
Nein. Sie benötigen dann eine notarielle Erklärung – ein einfacher Brief reicht nicht! Das Schriftstück können Sie natürlich auch selbst aufsetzen oder Musterschreiben verwenden und dann notariell beglaubigen lassen. Hier können sich aber schnell Formfehler einschleichen, die Sie eventuell teuer zu stehen kommen. Der notarielle Rat kann also nicht schaden. Planen Sie also zu den 30 Euro Amtsgebühr noch Notarkosten mit ein.
Ich habe mein Erbe ausgeschlagen: Welche Konsequenzen hat das?
Sie verlieren schlichtweg jeglichen Anspruch auf das Erbe bzw. Ihren Anteil davon. Soll heißen: Sie erhalten auch keinen Pflichtteil. Wichtig: Wer ausschlägt, macht das im Ganzen. „Rosinenpicken“ ist also nicht möglich. Sich den teuren Schmuck sichern, von dem maroden Haus aber nichts wissen wollen – das geht nicht.
- Wer erbt dann?
Sobald Sie Ihr Erbe ausgeschlagen haben, folgt der nächste Erbschaftsanwärter. Mitunter sind das Ihre Kinder. Sind die unter 18, dürfen diese als Minderjährige das Erbe nicht selbst ausschlagen. Es ist also wichtig, dass Sie als gesetzlicher Vertreter hier tätig werden.
Für den Fall, dass alle Erben ausschlagen, kommt der Staat ins Spiel. Dieser versucht, die dann meist vorhandenen Schulden zu tilgen. Ist hier der finanzielle Rahmen ausgereizt, verfallen die Schulden. Gläubiger gucken also in die Röhre.
Schlage ich mein Erbe aus, geht es auf den nächsten in der Erbfolge über. Sollte niemand erben wollen, steht der Staat als Letzter in dieser Kette. Foto: Gerhard Seybert, stock.adobe.com
Ich möchte erben, aber nicht haften: Welche Möglichkeiten gibt es?
Wir stellen Ihnen die beiden wichtigsten vor:
- Nachlassverwaltung
Diese Option sollten Sie vor allem dann wählen, wenn die Vermögensverhältnisse des Erblassers sehr diffus sind und eine solide Einschätzung Ihres Risikos kaum zu tätigen ist. Denn dieses Verfahren bedeutet, dass die Haftung auf den Nachlass beschränkt ist – das Privatvermögen bleibt außen vor.
Um diese Option zu ziehen, muss beim Nachlassgericht ein entsprechender Antrag gestellt werden. Das ist bis zwei Jahre nach Anfall der Erbschaft möglich und kann persönlich oder postalisch erfolgen. Der vom Gericht beauftragte Nachlassverwalter tilgt zunächst alle Schulden. Sollte dann noch Vermögen vorhanden sein, erhalten dies die Erben. Reicht der Nachlass nicht zum Begleichen der Schulden, folgt die nächste Stufe: das Nachlassinsolvenzverfahren.
- Nachlassinsolvenzverfahren
Dieses Verfahren leitet entweder der Nachlassverwalter in die Wege – oder Sie selbst. Der Antrag muss beim zuständigen Insolvenzgericht (im Bezirk des Verstorbenen) gestellt werden. Mit dem Nachlassinsolvenzverfahren ist die Haftung auf den vorhandenen Nachlass limitiert. Das bedeutet: Ihr Privatvermögen bleibt unberührt.
Eröffnet wird das Verfahren allerdings nur, wenn mit dem Nachlass die Verfahrenskosten sowie die Kosten für den Insolvenzberater bedient werden können.
Sofern das nicht möglich ist, wird die Dürftigkeit des Nachlasses beschlossen. Sie erhalten dafür eine schriftliche Bestätigung, die Sie Gläubigern vorzeigen können – als Nachweis, dass aus der Erbmasse keine Schulden mehr beglichen werden können.